Liebe Reisefreunde,
Während Arthur und die Seinen noch in der staubigen Steppe der Gobi kämpfen, ist bei mir eine ganz andere Frontlinie eröffnet worden. Die Vorbereitungen für den Grenzübertritt, oder besser gesagt, die Einreise ins Reich der Mitte, laufen auf vollen Touren. Warum habe ich bloß das Gefühl, dass es jedes Jahr etwas komplizierter wird? Dieses Jahr habe ich dieses Empfinden ganz besonders. Wir müssen mehr und mehr Unterlangen einreichen, bis im Vorfeld endlich alles klar ist.
Es naht der große Tag: Raus aus der Gobi, rein ins Reich der Mitte.
Innerhalb von 1 Stunde sind die mongolischen Zöllner überwunden, dann dauert es weitere 2 Stunden und schon sollen wir durch sein?
Ja, so glatt geht es, einfach durchfahren und keine Kontrolle vom Fahrzeug. Kinderspiel.
Alter Bekannter an alter bekannter Stelle. Der Detlefs-Innenausbau fährt seit 2006 in den Diensten von Seabridge und hat außer Russland, Mongolei und Seidenstraßen nichts anderes erfahren dürfen. 4 Mal alleine die Große Asienreise, zwei Mal mit Hänger! Geritten by all our tourguides, poor little camper. But still alive! Es ist also kein Hexenwerk, wenn man mit einem Konservenfahrzeug (zusammengeklebt in Germany) durch die Welt fährt. Sollten wir das Fahrzeug jemals verkaufen, schreiben wir einfach: „Gut eingefahrenes Langstreckenreisemobil sucht neue Bestimmung nach bisher erfülltem Leben.“
Na? Hatte ich eben nicht geschrieben, alles gehe ohne Kontrolle und alles laufe glatt? Schwätzer, kann ich nur sagen. Was da alles im Vorfeld und Hintergrund läuft, ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Gut zu erkennen sind die augenscheinlichen Kontrollen der Motornummern. Sollte hier eine nicht stimmen, gibt es großen Ärger.
Noch ein alter Bekannter. Yong Zhi, den wir seit 2007 in unseren Diensten und dabei schön alt gekriegt haben. Auch in den kommenden 6 Wochen werden wir den Mann um ein halbes Jahr altern lassen, da bin ich mir sicher! Yong Zhi ist der chinesische kongeniale Kopf des Reiseleitungsteams, ohne das diese Tour nicht zu stemmen wäre.
Während wir fast durch sind mit dem sichtbaren Teil der Kontrolle, kommen die ersten voll beladenen UAS-Geländefahrzeuge, alle geritten von mongolischen Händlen, mit ihrem Einkauf aus Erenhot, wieder zurück zur Grenze. Manchmal sind sie so voll, dass die gekaufte Ware nicht mehr ins Innere passt. Macht nichts, dann wird sie einfach unter dem Fahrzeug angebunden. Geht nicht gibt´s nicht.
Arthur, willst du gar nicht gehen? Ich habe dir doch gesagt, dass du mal eine Woche Luft holen sollst, während ich die Gruppe bis nach Peking führen werde. Aber was einmal zusammenwächst, trennt ein Kostya nicht so schnell. Nun, Arthur stimmt uns alle nur auf seine einwöchige Pause ein, die eigentlich viel länger hätte sein sollen. Aber da wir dieses Jahr wirklich jede Menge Visierungshürden zu überwinden haben, kann ich nur bis Peking reisen, obwohl ich gerne bis Dunhuang auf der Seidenstraße mitgefahren wäre.
Einführungskurs Reisemobilfahren in China Kursleiter: Yong Zhi. Dauer: 2 Stunden bei 32,5 Grad im Schatten. Teilnahmebedingung: Anreise über Sibirien und die Mongolei im eigenen Reisemobil. Nach bestandener Teilnahme heute: Erhalt von großem chinesischem Autoatlas, chinesischen Handys und 3000 Yuan (400 Euro).
Sie leben doch! Nach der Grenze gleich die nächste Herausforderung. Große Saurier säumen den Weg und sind glücklicherweise keine Reisemobilistenfresser, sondern eher vegetarisch orientiert.
In der Tat hat man in dem Gebiet der Inneren Mongolei sehr viele Dinosaurierknochen gefunden – früher hat es vielleicht wirklich so ausgesehen – abgesehen von den Reisemobilen, die in diesen Zeiten noch keine Euro-5 Normen erfüllen mussten.
Auch heute, Äonen nach der Zeit der kaltblütigen Riesen, kämpft das chinesische Verkehrsamt mit Dinosauriern. Gemeint sind die überladenen LKW,…
…wie diese Transporter zum Beispiel. Nicht nur die Doppelbelegung ist spektakulär.
Mich als jahrelangen "Reisemobil-mit-Überhang-Fahrer" beeindruckt das 15 Meter lange Teil hinter der letzten Achse ungemein.
Beeindruckend ist auch die große Weite und Freiheit der Inneren Mongolei. Nicht alle der Einwohner, besonders auf dem Land, sprechen hier chinesisch. Es ist eines der am dünnsten besiedelten Gebiete ganz Chinas.
On the road, wir haben zwei Fahrtage in der Inneren Mongolei. Bei einem Stopp ziehen wir zwangsläufig die Aufmerksamkeit auf uns. Der Flyer ist nach wie vor der Renner, er erklärt unter anderem in Chinesisch, was wir für Leute sind.
Am Busen der Natur nächtigen, kann auch seine Tücken haben. Ein gewaltiges Regentief beglückt auch uns in der Nacht und weicht den Boden fast bis zum Erdmittelpunkt auf. Fast. Der Morgen schenkt uns ein sich Rausziehen aus dem buchstäblichen Schlammassel. Wenn ihr euch fragt, was das beste Auto der Welt zum Reisen ist, dann würde ich den Toyota Landcruiser, das legendäre Buschtaxi, nennen. Das kommt überall durch, ist wendig, leicht genug, um nicht zu versinken und schwer genug, um nicht umgeweht zu werden, passt in die Handtasche der eigenen Frau und bietet trotzdem Platz zum Schlafen. Wenn ich groß bin, hole ich mir auch so etwas. Jetzt mit all den Kindern zuhause muss erst noch der gute alte Gelenkbus herhalten…doppelt gedeckt, versteht sich…
Artem und der Melonenverkäufer. Die Melonen sind sau süß! Wir testen bei einem von vielen individuellen Stopps, die im sturen Konvoi einfach nicht drinnen wären. Dabei ist genau das das Beste an der Tour. 35.000 Kilometer und dabei das Fahren möglichst individuell gestalten. Beweise gefällig? Bitte:
Beim Tanken!
On the road, beim Früchtekauf
Ausländisches Reisemobil? Immer ein Hingucker.
Ach Leute zu Hause auf dem Sofa. Was genießen wir diese Straßen. Glatt, ohne Staub und Löcher – da kann manche deutsche Bundestraße noch etwas lernen.
Im Osten Chinas sind die meisten Flächen bebaut. 90 Prozent der Bevölkerung lebt im südöstlichen Teil Chinas, 10 Prozent im Westen, unserem Seidenstraßenteil.
Fotogener Stopp vor einem Schnappsladen. Rot, blau, weiß. Schön.
Drinnen ist es auch ganz unterhaltsam. Durch meine besonderen Umstände als frischgebackener Großfamilienvater habe ich nun den Babytunnelblick. Überall sind sie, diese süßen kleinen Erdenbürger.
Ach, das fehlt mir so. Ob ich den Kleinen einfach mitnehmen darf? Die Mutter ablenken? Und dann mit ihm weg? Nein, das macht man nicht. Ich gebe brav das Baby zurück und freue mich auf die eigenen…
Heiß ist nicht nur das Wetter. Auch der Fahrstil. Überholen, wie im Spielfilm. Defensiv Mitschwimmen und im Zweifelsfall Nachgeben – das ist unsere Fahrdevise für das nächste Vierteljahr.
In den Städten gehen wir natürlich auf Hotelplätze. Nicht gerade schön, aber praktisch. Und unglaublich für mich und alle Asienreisenden der Vorjahre: schaut mal, was da an Häusern in Chengde hingeklotzt wurde. Unglaublich. Ich habe noch den freien Blick auf die Berge im Hinterkopf. Wer soll da denn wohnen? Es kommt auch in China irgendwann zum Platzen der Immobilienblase.
Die Stelle des staatlichen Verkehrsschildübersetzers wird aus ersichtlichen Gründen neu ausgeschrieben. Ei will reit mei Bewörbing!
Dann besser alles auf Chinesisch. Das westeuropäische geschulte Auge sieht binnen Sekunden: Alles fehlerfrei!
Geisterfahrer. Selten, aber gelassen. Liebe ATW-Indienreisenden, ihr bekommt davon Dutzende. Pro Stunde….
Ankunft am Gelben Meer. Fotoshooting der jungen Hochzeitspaare. Wie romantisch. Für mein nächstes Leben habe ich nun neue Ideen.
Wir stehen auf dem neu angelegten Gelände von Elitewohnungen entlang der Meeresküste. Hier entsteht ein Riesenkomplex, der mich ein bisschen an die Palme in Dubai erinnert. Es boomt und brummt und wir dienen als Werbeikone in all diesem Bauhype. Langnasen zu Besuch im neuen Wohnzentrum – dafür bekommen wir Geschenke und die Presse die heiß begehrten Fotos. Alle glücklich. Gut so!
Auch ich.
Schaschlikrunde am Abend. Etwas teuer für chinesische Verhältnisse, aber ok. Immerhin haben sie das ganz Grillzeug hergeschleppt und sogar Shrimps und X-Sorten Fleisch auf die Spieße gepiekt.
Links ist Rita, nicht zu verwechseln mit rechts, dem Grillmeister, obwohl beide ähnliche wasserfeste Muster tragen.
Unsere letzte Fahretappe auf dem Weg nach Peking. Stopp auf der Autobahn und sofort sind wir im Fokus der Einheimischen Reisenden. Hans ist der Hahn im Korb, das Reisemobil wird bestaunt.
Ach, und Wolfgang ist ein Jahr älter geworden. Die Geste ist mit einem heulenden Plastikhuhn untermalt, das ihr euch bitte noch einmal vorführen lasst, wenn ihr auf Wolfgang persönlich trefft. Sehr hörenswert!
Einfahrt nach Peking. Wir sammeln uns nach der letzten Mautstelle, dann geht es in die 14-Millionenmetropole. Unser Team hat die verkehrsgünstigste Route ausgearbeitet, wir fahren bis nahe an den Platz des Himmlischen Friedens zu unserem Hotel Dongfeng, in dem wir für vier Nächte unterkommen werden.
Wieder das klassische Pressefoto. Machen wir gerne. Wenn ich mir überlege, was die chinesische Hotelseite alles für uns tut. Hut ab!
So sieht das von oben aus, wenn unsere Fahrzeuge auf dem Hotelhof im Herzen Pekings stehen. Hier stehen zu dürfen, ist keine Selbstverständlichkeit. Wir sind auf unseren Zimmern und genießen ein bisschen Luxus. Zu Fuß nahe an allem dran, besser stehen können wir eigentlich nicht.
Damit ist meine Mission erfüllt. Ich muss nun raus in die fernöstliche Welt, obwohl ich das mit Wehmut tue. Ich habe euch Reisende lieb gewonnen. Meine 10 Tage mit euch waren toll, bis hierhin wart ihr eine wirklich starke Gruppe. Arthur stößt da ins gleiche Horn – auch für ihn bis hier top! – Hut ab! Aber denkt dran, es wird noch sehr spannend und anstrengend und ultimativ wunderbar werden – mein Wort! Draußen wartet mein Flieger von AsiaAir – das Pendant zu Ryanair mit dem wesentlichen Unterschied, dass bei der asiatischen Variante die Stewardessen und das gesamte übrige Personal sehr viel freundlicher sind.
Euch Reisenden allen eine gute Reise und eine gute Zeit für die, die Zuhause mitfiebern. Arthur, Ella, Artem, YongZhi, seid stark.
Euch allen drücke ich die Daumen. Es wird kein Spaziergang, aber dafür welteinmalig schön. Haltet all die tollen Momente fest in euch für immer. Wer weiß, wann man das noch einmal so erleben kann.
Euer Kostya
008 Unterwegs im Reich der Mitte
nach einer kleinen kreativen Schaffenspause (ja, es gibt unterwegs leider auch jede Menge nicht so kreativer… < mehr
006 Neues aus der Steppe
Ach, war das schön in Russland! Und was gibt es passenderes, als den letzten Abend in einem mexikanischen… < mehr