Liebe Ural-Erklimmer,
Endlich mal haben wir so begehrtes Uralgebirge erreicht, unsere Bergausrüstung aus den weitesten Ecken unserer Reisemobile geholt und…. alles wieder zurückgepackt, ein Glas Wein eingeschenkt und uns entspannt in der Bergensonne gesetzt, denn Uralgebirge stellt mehr hügelige Landschaft als alpine Zugsketten dar, wenigstens im Südural.
Was macht man denn, wenn man die Berge nicht besteigen kann? Genau, man sieht sich einen Film über die beindruckende Tier-Welt des Urals an in der Hoffnung, dass man diese bald zur Sicht bekommt. Na ja Bären sind wir (Gottseidank!) nicht begegnet, jedoch haben wir sibirische Rehe gesehen.
In den nächsten Tagen sind wir zu richtigen Grenz-Pendlern geworden. Die Ural-Metropole Ekaterinburg liegt ja schon in Asien und unser Stellplatz noch in Europa. So fahren wir zum Einkaufen und zur Stadtbesichtigung über die Europa-Asien-Grenze. An der Zarenfamilie-Ermordungsstelle achtet die strenge orthodoxe Kirche die Sitten, so dass die Männer in kurzen Hosen lieber einen Rock tragen sollen, als ihre Beine zeigen.
Hinter dem Ural beginnt nicht nur Asien, sondern auch ein endloses „schlafendes Land“, das sich bis zur Arktis und Pazifik erstreckt. Birkenhaine, Blumenwiesen und idyllische Stellplätze mit weniger idyllischen Schnacken, Kribbelfliegen, Bremsen and Co. lassen uns doch von Sibirien nicht enttäuschen. Darauf trinken wir und der Rolf spricht dazu einen Trinkspruch.
Unsere Lagerfeuerromantik besingen wir in Lieder auf Schwyzerdytsch und unser Dima tanzt einen russischen Schlager aller Zeiten „Kalinka“, der sich energievoll in den sibirischen Hit-Tanz aller Zeiten „Schnacken pfui, Schnacken fort“ übergeht.
Die lästigen Plagegeister verfolgen uns stets bis Tjumen, das für seine Schwefelthermalquellen bekannt ist. Da verstehen wir sofort, selbst die Mücken sind vor dem höllischen Geruch scheu, unser Körper sagt uns aber danke für das paradiesische Gefühl danach!
Für den wunderschönen sibirischen Frühling mit Mücken aller Art haben wir dem schneereichen Winter zu danken, der viel Hochwasser in Sibirien verursachte, welches auch dieses Jahr zur Naturkatastrophe geworden ist.
In diesem Jahr erreichen wir die nördlichste Große Teestraße bei Tobolsk und fahren im Dorf Pokrowskoje zum Rasputin-Haus vorbei. Jetzt sind alle gespannt. Am letzten Foto ist vieles abzulesen: Skepsis, Freude, Lust, Verurteilung, Erstaunen, nun keinesfalls Gleichgültigkeit.
Der Rasputin-Wodka und Heftchen waren es jedenfalls nicht schuld, sondern definitiv die charismatische Führerin, die mit Rasputin verwandt sein soll.
Es war schon beindruckend, was für einen Rieseneinfluss ein sibirischer Analphabet Grigorij Rasputin auf die europäische Politik ausgeübt hat und den Verlauf der europäischen Geschichte für Jahrzehnte vorausbestimmt hat. Ich bin sprachlos auf Rausputins Stuhl sitzengeblieben.
Tobolsk selbst ist ein hübsches gepflegtes Städtchen aus dem 16. Jahrhundert und einstige Kolonisierungszentrum von Sibirien, das einzigen Kreml in Sibirien besitzt. Als Vorposten des Russischen Reiches war Tobolsk ein Umschlagsort der sibirischen Dostojewskis Verbahnung, sowie Verbahnungsort von der Uglitschglocke, die den misslungenen Aufstand gegen Zar Boris Godunov ausrief. Wir durften dem historischen Kreml gegenüberstehen und die tolle Aussicht auf die Altstadt genießen.
Tobolsk ist neben Archangelsk der 2. Herstellungsort der Elfenbeinschnitzerei in Russland. Es ist schön die Elfenbeinkünstler bei der Arbeit zu beobachten, denen hauptsächlich Mammutstoßzähne als Material dient.
Aus Tobolsk machen wir noch einen Ausflug ins sibirische Dorf Abulag, welches bei uns frische Erinnerungen an Rasputin-Haus hervorruft und wo uns ein Bär beim Mittagessen beobachtet.
Das ist ja Sibirien, überall sieht man die Bären-Warnungen, dass man das Zuhause der „Honigfresser“, so heißt der Bär direkt aus dem Russischen übersetzt, sauber halten muss.
In Omsk feiern wir auf schweizerisch-russische Weise den Geburtstag von unserer Esther und sind direkt in das politische Leben Russlands involviert. Wer weiß, ist vielleicht der junge Mann der zukünftige Chef der Freiheitspartei Russlands. Jedenfalls hat Reto eine Freiheitsuhr und Günter eine Freiheitskaffeetasse als Willkommensgeschenk bekommen.
Omsk, der einstige Verbannungsort von Fjodor Dostojewski, ist heute eine Großstadt an der Transsibirischen Eisenbahn, wo wir uns eine Kirche, dösende Traktorfahrer, hübsche Frauen und eine Oligarchen-Heirat angeschaut haben.
In Ostsibirien fühlen wir uns wohl und lassen unsere sibirische Seele mit Wodka, Tanz, Musik und Harmonika hochschweben. Lustig war´s meine Lieben! Vielen Dank für eure Offenheit und Lebensfreude!
Liebe Grüße aus Ostsibirien,
Euer Artem
004 Transsib – eine epische Reise durch Nordasien!
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