Liebe Leserinnen und Leser,
wer schon einmal mit dem eigenen Fahrzeug durch Russland gereist ist, wird bestätigen können, dass die besonderen Begegnungen und Erlebnisse mit den Menschen das Schönste an der Reise sind. Ein Beispiel gefällig? Der als Tailgunner und Mechaniker von uns engagierte Nikolai schnappte sich beim gemeinsamen Schaschlikgrill eine Gitarre und fing an zu spielen und zu singen. Sie geht direkt unter die Haut und knetet die Gefühlswelt eines jeden Menschen angenehm hin und her, die russiche Musik mit ihren russischen tragenden Melodien. Wir lauschten bis in die Morgendämmerung dem Gesang von Nikolai. Er sang vom einsamen Glöckchen, besang die Moskauer Abende, die Schwarzen Augen und mehr. Wir schmolzen alle dahin vor unserem Mechaniker. Wohl wirklich ein Glücksgriff, der Bursche, der sich nun weiter im Osten seines Landes befindet, als er jemals zuvor im Leben war.
Unsere nächste Station nach Jektaerinburg war Tjumen, die Hauptstadt des erdgasreichsten Gebietes Russlands. Die Straßen sind dort in wirklich gutem Zustand. “Tjumen boomt” verkündete Victor mit Stolz, als er uns Werbegeschenke (u.a. Wodkaflaschen allerbester Qualität) überreichte. “Jetzt haben wir 600.000 Einwohner, wir wollen bald die Million.” In und um Tjumen herum wird gebaut, was das Zeug hält. Victor selbst ist PR-Manager der Tjumenbank, auf deren Erholungsgrundstück wir unsere Autos stellten. Hungrig durch den gestrigen Abend, wollten wir mehr von den Gesängen unseres Koljas hören. Diesmal gab es eine richtige Feuerstelle, bald saßen wir im Kreis und lauschten bei knisterndem Flammenspiel unter Birkenbäumen russischen Melodien, die so stark unter die Haut gehen, dass man noch lange davon zehrt. Zehren – das machen mittlerweile auch die Moskitos. Nur sind sie nicht mit Musik zufrieden. Sie wollen unser Blut. Es sind mehr geworden, lahm und träge, als seien sie noch frühjahsmüde, surrten sie um unsere Köpfe und stachen auch manchmal schon zu. Die spielen nur, witzelten unsere Reiseteilnehmer aufgrund des Flugtempos der kleinen Biester. Ich wei0, dass uns das Lachen bald vergehen wird… Sehr bald.
In Tjumen ist aber die Reisemobilistenwelt noch in Ordung. Fast zumindest. Hocherfreut über die Mitteilung, dass es eine Wäscherei auf dem Platz gibt, fingen wir bald an, schmutzige Wäsche waschen zu lassen. Unsere, versteht sich. Beim Abholen der zuvor von jedem von uns einzeln, bundesdeutsch vorschriftsmäßig gepackten und beschrifteten Wäschebeuteln stellten wir fest, dass es zu großen Tauschaktionengekommen war, die die Wäschereifrauen vorgenommen hatten. Bunt gemischt waren die Wäschestücke, ich könnte mich mit Damenkleidung einkleiden, bestünde ich auf dem mir auf meinen Namen ausgehändigten Beutelinhalt. Bis heute suchen wir noch nach fehlenden Stücken…
Es tut mir ja ausgesprochen leid, dass ich nichts Abenteuerliches habe, es ist die lange, unheimliche Stille vor dem Sturm, der kommt, ganz bestimmt. Sonst wäre es nicht Russland.
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Kolia wächst über sich hinaus. Statt am Auto zu schrauben, verzaubert er uns mit russischen Volksliedern.
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“Inna, was hast du für zwei schöne Brötchen..teller!” Inna ist die Managerin des Hotels Ermitage in Jekaterinburg und hilft aus, wenn es logistisch knapp wird. Gut, dass dies oft vorkommt…
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Es ist noch weit bis nach Nowosibirsk, der geografischen Mitte der einstigen Sowjetunion.
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Vom Gas-Boom in Tjumen kommt bei der Landbevölkerung nichts an. Wer kann, geht in die Stadt.
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Stolz auf Russlands New Economy. Victor, PR-Mamager der Tjumenbank, prahlt mit Superlativen seiner Stadt.
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Und wieder wird es so romantisch, dass man es kaum aushält. Lagerfeuer, Gruppenlieder, russische Melodien. Abenteuer für Warmduscher? Nein, es ist einfach schön. Lasst uns doch unsere russische Romantik, ihr kriegt schon noch euer Abenteuer.
Bleibt dran, wir tun es auch!
Kostya
021 Hilfe, sie sind schon da!
Endlich sind sie da, die Moskitos. Es sind viele, sehr viele…
019 Zwischen zwei Kontinenten
Ich lebe noch und habe mir eine fette…