Liebe Baltikum-Begeisterte und solche, die es noch werden wollen,
wir passieren, EU sei dank, fast ohne es zu merken, die estnisch-lettische Grenze. Die Esten haben einen etwas höheren Lebensstandard als ihre südlichen Nachbarn und den Euro schon einige Jahre vor Lettland eingeführt. Auch wenn im Umfeld von Riga viele große Bauten leer stehen und architektonische Überbleibsel an die Sowjetzeit erinnern, in der Riga fast eine Million Einwohner zählte – geographisch und wirtschaftlich betrachtet ist es die Hauptstadt Lettlands, Riga, die das Herz des Baltikums bildet. Wir fahren zunächst aber an der heutzutage nur noch 700.000 Einwohner zählenden Großstadt vorbei.
Ein kurzer Zwischenstopp beim Münchhausen-Museum lohnt sich nicht nur wegen dem kleinen Ausstellungsraum zur Geschichte des Lügenbarons, sondern auch wegen der schönen Lage des restaurierten Gutshofes, in dem Münchhausen mit seiner Frau, einer Baltendeutschen, sechs Jahre lang lebte. Einmal mehr sollte man die Ohren spitzen: Es quakt und zwitschert aus jeder Ecke!
Wir verbringen eine Nacht in Rundale unweit von Riga mit fantastischer Aussicht auf das dortige Barockschloss. Die damalige Zarin Anna Ivanovna ließ das Schloss von dem jungen Hofarchitekten Rastrelli als Sommerresidenz für den Herzog von Kurland, Ernst Johann Biron errichten.
Ein weiterer Abstecher führt uns nach Litauen zum Berg der Kreuze, der als Nationalheiligtum gilt und viel über die Mentalität der Litauer verrät, die hier trotz dem Widerstand der Sowjetmacht wieder und wieder Kreuze errichteten – ein Zeichen des tief verwurzelten Katholizismus, der zu Sowjetzeiten unterdrückt wurde.
Heute kann hier jeder Kreuze aufstellen. Wer keines mitgebracht hat, kauft es einfach am Eingang der Gedenkstätte… Wir finden Kreuze von Gläubigen aus allen möglichen Ländern.
Die beeindruckende, aber auch leicht verstörende Atmosphäre des Bergs der Kreuze verlassen wir, um zurück nach Lettland zu fahren. Wir nehmen uns die Zeit, um in Jelgava ein weiteres Bauwerk des Hofarchitekten Rastrellis zu bewundern. Im Gegensatz zu Rundale, das touristisch gut erschlossen und entsprechend vollständig restauriert wurde, gibt es in Jelgava noch einiges zu tun…
Dort, wo die Restaurierung abgeschlossen ist, kann man aber schon erahnen, wie schön es hier in ein paar Jahren sein wird!
Nichtsdestotrotz finden wir, dass sich der Abstecher auch heutzutage schon lohnt. Die Lage direkt an der Daugava (zu deutsch Düna) tut ihr Übriges, um den gemütlichen Charakter der Kleinstadt zu unterstreichen.
Noch einmal ergreifen wir das Lenkrad und fahren nun wirklich nach Riga! Unser Campingplatz liegt auf der schönen Halbinsel Kipsala, nur einen kleinen Fußmarsch über die Daugavabrücke vom Zentrum entfernt. Unser Tagesausflug in Riga führt uns zuerst in das Jugendstilviertel rund um die Albertstraße. Die Dichte an Häusern, die in diesem Stil gebaut wurden, ist einzigartig.
Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Altstadt, welche im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde, lädt heute wieder zum Schlendern ein.
Man sollte sich aber nicht nur an der Schönheit der Häuserfassaden berauschen: Die bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebte Kellerkneipe „Ala“ besticht weniger durch ihr Äußeres, als vielmehr durch ihre Speisekarte. Das lettische Nationalgericht, graue Erbsen mit Speck-Sahne-Soße, serviert man hier in einem ausgehöhlten Roggenbrotleib.
Wie lässt man einen sonnigen Abend in Riga ausklingen? Zwischen einem Orgelkonzert im Dom, einem kostenlosen Live-Konzert im Künstlerviertel oder einem gemütlichen Bier in der Altstadt fällt die Entscheidung natürlich nicht leicht. Zum Glück sind die Abende ja lang, und egal wo man versackt ist: Den späten Sonnenuntergang sollte man sich nicht entgehen lassen!
Tja, wer kennt es nicht? Man kommt selten so früh vom Stellplatz weg, wie man eigentlich möchte. Aber dass man erst einem verängstigten Jungvogel vom Dach helfen muss, bevor man losfahren kann, ist dann selbst für den „alten Hasen“ Arthur ein Novum.
Unser nächstes Ziel ist Ventspils, das an der Westküste Lettlands liegt. Unsere Lieblingsfotomodelle posieren auch auf dieser Fahretappe.
In Ventspils angekommen lockten die kilometerlangen Sandstrände…Wenn da nicht das wechselhafte Ostsee-Wetter wäre! Von dem bisschen Regen lassen wir uns jedoch nicht die Stimmung verderben; wenn auch ein geplanter Grillabend ins Wasser fällt, so treffen wir uns doch zu einem kleinen Umtrunk unter der Markise von Jürgen und Jutta.
Nach Ventspils verabschieden wir uns während unserer letzten größeren Fahretappe von Lettland und fahren nach Litauen. Mit der Fähre setzen wir von Klaipeda auf die kurische Nehrung über, wo drei wunderschöne Tage vor uns liegen. Die Halbinsel ist mit ihrer Länge von 98 km überschaubar, und verfahren kann man sich eigentlich nicht…
Na ja, nur nach Kaliningrad sollte man ohne Visum nicht versehentlich fahren.
Übrigens: Die sonst wenig von Meeresfrüchten und Fisch geprägte litauische Küche wird durch die kurische deutlich bereichert. Ein Glück für Gerd, der stets auf der Suche nach gutem Fisch ist.
Das Highlight bildet unser Tag mit Iveta, die uns nicht nur in das Reich der litauischen Märchengestalten entführt…
… sondern auch zum Landhaus des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann bringt, das an den gekreuzten hölzernen Pferdeköpfen am Dachgiebel zu erkennen ist…
… wir besuchen auch die Bernsteingalerie…
… ebenso wie die Niststätten der Kormorane, deren Kolonie bei manchen Hitchcock-Kennern sicher eine Gänsehaut hervorruft…
… und natürlich erklimmen wir auch die Wanderdüne, die einen fast vergessen lässt, wo man sich geographisch gerade befindet.
Der krönende Abschluss des Tages und unserer ganzen Reise ist natürlich das Seabridge-Essen in Nida. Musikalisch begleitet uns ein ortsansässiges Quintett, das richtig für Stimmung sorgt.
Nach vier Wochen müssen wir nun also Abschied nehmen von Litauen, Lettland und Estland. Ein großes Lob gebührt der Gruppe, die sich von gelegentlichen Wetterumschwüngen nicht die Laune verderben ließ!
Auf Wiedersehen im Osten und besten Dank!
Eure Aline, Arthur (und Lenny)